
31. Oktober 2022
Die Wissende (Allerheiligen)
Auf Weißrussisch (wie auch auf Russisch) heißt Hexe „Wedma“. Das Wort wird von „wedat“, was so viel wie „Wissen“ bedeutet, abgeleitet. Die Hexe ist also die Wissende.
Nach schrecklichen Jahrhunderten der kirchlichen Inquisition und nun nach der Kommerzialisierung des Festes zum Ehren unserer Ahnen, haben viele von uns schlicht keine Vorstellung mehr, welche Rolle all diese weisen Frauen damals tatsächlich gespielt haben.
Oft mit dem Verführerischen in Verbindung gebracht, wurden die naturverbunden, frei und unabhängig lebenden Frauen verteufelt. Ihr Wissen über den eigenen Körper, die eigene Weiblichkeit und die Geheimnisse der schmerzfreien Geburt wurden zum Tabuthema erklärt und ihre Fähigkeiten, die Menschen mit Hilfe der Naturgaben zu heilen – als Hexerei verunglimpft.
Selten wird heute davon gesprochen, dass auch die bekannte Benediktinerin Hildegard von Bingen die Menschen mit Kräutern, durch geeignete Ernährungspläne und durch die Kraft der Steine heilte. Selten wird von ihrer emanzipierten Art gesprochen und auch davon, wie sie den Menschen Musik, Ethik und Kosmologie lehrte.
Einiges von diesem alten Wissen wurde bis in die heutigen Tage überliefert, vieles wurde damals – wie heute noch üblich – im Namen des angeblich Guten zerstört.
Doch wenn ich genauer darüber nachdenke, so ist das alte Wissen nicht verloren gegangen. Es ist in uns und um uns herum – wir müssen nur mutig genug sein zunächst hinein und anschließend hinauszuschauen. Die Mama-Natur zu betrachten – von ihr zu lernen.
Vor ein paar Jahren wollte ein mir ziemlich nahe stehender Mensch, der russisch spricht, mich dadurch beschimpfen, dass er mich Wedma – die Hexe – nannte. Ihm war es damals (wie heute) nicht bewusst, dass dies eines der größten Komplimente war, welches man mir nur machen konnte.
Im vollen Bewusstsein um die Bedeutung und voller Dankbarkeit für diese unkonventionelle Würdigung – und stolz, einen Teil des alten Wissens in mir zu tragen…